Die Stadtwerke unter der
Lupe: Das Ende des "Goldesels"? (Juli 2009)
Sehr geehrte Damen und Herren, die Stadtwerke machen Gewinne, mit diesen Gewinnen leistet sich die Stadt ein schönes Bad und Parkhäuser, und eine Steuerersparnis fällt dabei auch an - so lautet mit knappen Worten die Grundidee, mit der die Coesfelder Wirtschaftsbetriebe arbeiten. Doch was fast 15 Jahre lang “gut” funktionierte, steht nun auf der Kippe: Die Gewinne der Stadtwerke sind eingebrochen, Strom- und Gaskunden wenden sich von den Stadtwerken ab, das Coe-Bad wird auch weiterhin hohe Verluste machen, auch wenn die Besucherzahlen steigen ... so ist es auch im jüngsten Geschäftsbericht der Coesfelder Wirtschaftsbetriebe für das Jahr 2008 nachzulesen. Nach Auffassung der FDP ist es an der Zeit, das Geschäftsmodell von Stadtwerken und Bäder- und Parkhausgesellschaft gründlich zu überprüfen.
Für Nachfragen stehe ich Ihnen gern zur Verfügung! Ihre FDP-Fraktion im Coesfelder
Stadtrat
Wolfgang Kraska (Vorsitzender)
e-mail: kraska “ät” coesweb.de
Der Geschäftsbericht 2008 - der Anlass für die Kritik Seit Ende Juni 2009 liegt der jüngste Wirtschaftsbericht der Coesfelder Wirtschaftsbetriebe (Stadtwerke und Bäder- und Parkhausgesellschaft) vor. Das Geschäftsjahr 2008 sowie die Zukunftsaussichten werden in den besten Farben dargestellt. Doch auch wenn in der Allgemeinen Zeitung kein kritisches Wort zu den Coesfelder Stadtwerken Coesfeld steht: Nicht alle politischen Kräfte stimmen in diese Lobgesänge ein! Die Coesfelder FDP hat sich des Jahresberichtes angenommen und ihn hinterfragt. Als einzige Partei hat sie sich im Stadtrat geweigert, den Bericht "zustimmend" zur Kenntnis zu nehmen. Wozu brauchen wir die Stadtwerke? Wer zu Hause Wasser braucht, geht an den Wasserhahn, wer es abends hell haben möchte, betätigt den Lichtschalter - was wir heute als selbstverständlich empfinden, war vor 100 Jahre ein Luxus, den sich nur wenige leisten konnten. Vor 150 Jahren sah das Leben noch einfacher aus: Auch bei den Reichen kam die Wärme aus dem Ofen oder Kamin, das Wasser kam aus dem Brunnen oder dem Bach, und Licht spendeten Kerzen oder funzelige Öllampen. Zunächst waren es Privatunternehmer, die versuchten, mit den neuen technischen Entwicklungen Geld zu verdienen. In Coesfeld schrieb man das Jahr 1869, als ein Franzose namens Johann Anton Sabey das erste Gaswerk baute und die Coesfelder Straßen mit Gaslaternen beleuchtete -natürlich gegen Entgelt! Schon zehn Jahre später kaufte die Stadt Coesfeld das Gaswerk und betrieb es in Eigenregie (Quelle: Internetseite der Stadtwerke Coesfeld, Unterseite Unternehmen / Historie). Schon früh begann die Politik, die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Strom und Gas als öffentliche Aufgabe zu begreifen. Es ist den Anstrengungen der Politik und insbesondere der Kommunen zu verdanken, dass schon im Kaiserreich erfolgreich begonnen wurde, ganze Stadtviertel mit Leitungsnetzen zu versehen. Nur so konnte erreicht werden, dass schon bald breite Schichten der Bevölkerung versorgt werden konnten - auch die weniger betuchten Bürger und auch die abgelegensten Bauernschaften! Nach der Übernahme des Gaswerkes im Jahre 1879 ging 1907 das städtische Wasserwerk am Coesfelder Berg in Betrieb. 1920 wurde Coesfeld an das elektrische Fernleitungsnetz angeschlossen. Im Jahr 1939 wurden die drei städtischen Versorgungsbetriebe (Gaswerk, Wasserwerk und Elektrizitätswerk) zu einem Eigenbetrieb zusammengelegt. Die Stadtwerke Coesfeld waren geboren. (Auch diese Daten sind der oben erwähnten Internetseite der Stadtwerke Coesfeld entnommen). Dieser geschichtliche Rückblick zeigt, worin die Kernaufgabe unserer Stadtwerke besteht: Sie sollen die Versorgung der Coesfelder Bevölkerung mit Strom, Gas und Wasser sicherstellen. Zu dieser Grundversorgungsaufgabe gehört an erster Stelle, ein funktionsfähiges Leitungsnetz anzubieten. Doch während das Leitungswasser nach wie vor ausschließlich von den Stadtwerken bereitgestellt wird, müssen sich heute die Stadtwerke den Strom- und Gasmarkt mit anderen Anbietern teilen. Diese privaten Strom- und Gasunternehmen beliefern ihre Kunden ebenfalls über das Versorgungsnetz der Stadtwerke - allerdings gegen eine “Netznutzungsgebühr”, die etwa ein Drittel des Strompreises ausmacht. Erste Fehlentwicklung: Vom Grundversorger zum “Goldesel” Bis 1998 lag die Grundversorgung mit Energie ausschließlich in der Hand der örtlichen Versorgungsunternehmen. In jedem Versorgungsgebiet arbeitete jeweils nur ein Stromanbieter. Gegenseitige Konkurrenz war durch sogenannte Demarkationsverträge ausgeschlossen. Darin verpflichteten sie die jeweiligen örtlichen Versorger, keinen Kunden im Gebiet des jeweils anderen zu beliefern. Viele Städte und Gemeinden nutzten die Vorteile dieser Monopolstellung, die ihr Versorgungsunternehmen in ihrem Gebiet einnahm. Die Überschüsse, die ohne jede Konkurrenz als Monopolgewinne erwirtschaftet wurden, dienten dazu, die Stadt- bzw. Gemeindekasse aufzubessern. Den Kunden blieb keine Wahl, als die geforderten Gebühren zu bezahlen. Auch wenn in einer Nachbargemeinde der Strom billiger war, konnten sie sich nicht von dort beliefern lassen. Auch private Anbieter gab es nicht. In den achziger Jahren überführten zahlreiche Kommunen ihre kommunalen Betriebe in eine private Rechtsform. Schon 1983 wurde aus den Stadtwerken, die zuvor als kommunaler Eigenbetrieb geführt wurden, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Alleiniger Eigentümer dieser GmbH war die Stadt Coesfeld, vertreten durch den Bürgermeister. Mit dieser Umwandlung wurde das Unternehmen leichter steuerbar. Entscheidungen mussten nun nicht mehr den langwierigen Weg durch die politischen Beratungs- und Beschlussgremien nehmen, sondern konnten flexibel unternehmensintern getroffen werden. Die politische Steuerung liegt seitdem in erster Linie in den Händen des Bürgermeisters und den (zur Verschwiegenheit verpflichteten) Mitglieder des Aufsichtsrates. Doch mit der neuen Rechtsform entstanden auch neue Nachteile. Die Überschüsse der GmbH wurden nun als Gewinne ausgewiesen. Wie jede andere GmbH mussten auch die Stadtwerke entsprechende Ertragssteuern an das Finanzamt abführen (insbesondere die Körperschaftssteuer, eine Art “Einkommensteuer” für juristische Personen). Im Jahr 1994 trat dann in Coesfeld eine Art von “Steuersparmodell” in Kraft. Die Stadtwerke wurden zusammen mit der Bäder- und Parkhausgesellschaft einer gemeinsamen Holding, der “Wirtschaftsbetriebe der Stadt Coesfeld GmbH”, unterstellt. Die Geschäftsidee war denkbar einfach:
Zweite Fehlentwicklung: Das “Steuersparmodell” läuft aus dem Ruder Schon von Anfang an war dieses “Steuersparmodell” mehr als ein Trick, um die Ertragssteuern einzufahren. Im Kern ging es immer auch darum, die Stadtwerkekunden verstärkt zur Kasse zu bitte, um mit den so erzielten Überschüssen andere städtische Aufgaben zu finanzieren. Doch der große Nachteil der meisten dieser Modelle liegt darin, dass sie nur solange funktionieren, wie die Rahmenbedingungen stimmen. Eine wesentliche Rahmenbedingung war die Monopolstellung der Stadtwerke. Sie konnten nur solange als “Goldesel” funktionieren und Monopolgewinne einfahren, wie die Kunden keine Möglichkeit hatten, zu einem preisgünstigeren Anbieter zu wechseln. Doch schon 1996 - also zwei Jahre nach Beginn des Coesfelder “Steuersparmodells” - gab es die ersten einschlägigen EU-Richtlinien, die das Ziel hatten, den Strommarkt zu liberalisieren. Am 20.04.1996 trat dann das Energiewirtschaftsgesetz in Kraft, das den Strommarkt mit einem Schlag für private Konkurrenten öffnete. Seitdem nehmen die Monopolgewinne der öffentlichen Versorgungsunternehmen kontinuierlich ab, so dass auch dem Coesfelder “Steuersparmodell” Stück für Stück der Boden entzogen wird. Die augenblicklichen konkreten Zahlen für Coesfeld sehen wie folgt aus (Quelle: Geschäftsbericht 2008 der Wirtschaftsbetriebe der Stadt Coesfeld GmbH, im folgenden erwähnt als Geschäftsbericht 2008):
Im Jahr 2008 änderte sich erstmals diese Lage. Der Stadtwerke-Gewinn ist auf 600.000 Euro zurückgegangen, während die Verluste der Bäder- und Parkhausgesellschaft trotz gutem Geschäftsjahr bei 2,4 Mio. Euro lagen. Dieses Mal konnte der Verlust aus dem Eigenkapital der Wirtschaftsbetriebe wettgemacht werden. Doch in Zukunft muss die Stadt davon ausgehen, Geld dazuschießen zu müssen. Der Lösungsweg der Stadtwerke Die Stadtwerke wollen diesen Entwicklungen entgegenwirken, indem sie verstärkt Strom außerhalb der Coesfelder Stadtgrenzen verkaufen wollen (vgl. Geschäftsbericht 2008, S. 17 und 40). Aus betriebswirtschaftlicher Sicht erscheint dieser Weg folgerichtig und gut durchdacht. Doch damit entfernen sich die Stadtwerke einen Schritt weiter von ihrer ursprünglichen Aufgabe: Die Versorgung der Coesfelder Bürger mit Gas, Strom und Wasser. Leider verraten die Stadtwerke und die Wirtschaftsbetriebe nicht, mit welcher Strategie sie ihre Preise kalkulieren. Die betriebswirtschaftliche Kalkulation, die offensichtlich hinter der augenblicklichen Geschäftspolitik der Stadtwerke steht, könnte aber wie folgt aussehen:
Die politische Bewertung Die Coesfelder FDP lehnt das augenblickliche Modell der Coesfelder Wirtschaftsbetriebe ab. Viele Coesfelder Bürger haben bereits durch ihr Handeln darüber “abgestimmt”, was sie von der Querfinanzierung der Bäder- und Parkhäuser auf Kosten der Strom- und Gaskunden halten. Sie haben nachgerechnet und entschieden, den Strom und vielleicht auch schon das Gas bei einem preisgünstigeren Lieferanten zu beziehen. Lange wird sich die Finanzierung der Bäder durch die Stadtwerke nicht mehr halten lassen! Die CDU sieht offenbar auch die problematische Lage. Sie hatte jüngst die Verwaltung beauftragt, zu überprüfen, inwieweit es möglich und sinnvoll wäre, das Abwasserwerk zu einer “Anstalt öffentlichen Rechts” zu machen und ihm die Stadtwerke und die Bäder- und Parkhausgesellschaft unterzuordnen. Die Zielrichtung dieses Gedankens war offensichtlich: Das Abwasserwerk - immerhin erwirtschaftet es mit seinem festen Kundenstamm jährliche Überschüsse um die 1,5 Mio. Euro - sollte auch in einen Verbund hineingerechnet werden, um die hohen Verluste der Bäder und Parkhäuser zu verschleiern. Doch im Mai dieses Jahres rieten die mit der Untersuchung beauftragten Fachleute - sehr zur Freude der FDP! - von dieser Idee ab. Die FDP setzt sich dafür ein, dass die Coesfelder Einrichtungen klare Aufgaben haben und erfüllen:
Die Stadtwerke sind kein “Goldesel”. Strom-, Gas- und Wasserkunden sind nicht dafür da, die städtischen Kassen zu füllen oder über ihre Gebühren andere städtische Einrichtungen (wie z.B. ein Coe-Bad) mitzufinanzieren. In einer solchen Finanzierung liegt zudem eine extreme soziale Schieflage, denn auch geringverdienende Familien bezahlen mit ihren Stadtwerkegebühren dafür mit, dass sich Besserverdienende Eintrittskarten für das Bad oder die Saunalandschaft leisten können. Die Verluste, die das Coe-Bad und die Parkhäuser erwirtschaften, sind ohne Beschönigungen offenzulegen. Die Bürger der Stadt sollen über ihre politischen Vertreter im Stadtrat darüber entscheiden, wie sie mit diesen Verlusten umgehen und wie sie sie decken wollen. Für Interessierte: Ein Informationstext zur Vertiefung Bundeszentrale für politische Bildung: Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik - Öffentliche Unternehmen Ihre
FDP-Fraktion im Coesfelder Stadtrat
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