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Falsche Mehrwertsteuer für Hausanschluss: Geld zurück? 
(März 2009)

Sehr geehrte Damen und Herren,

Häuslebauer können damit rechnen, von den Stadtwerken bzw. von ihrem Bauträger zu viel gezahlte Umsastzsteuer zurückerstattet zu bekommen. 150 Euro bis 200 Euro, so die Einschätzung der FDP, sind pro Hausanschluss durchaus realistisch. Voraussetzung für eine Erstattung ist allerdings: Ihnen muss im Rahmen ihres Hausneubaus der volle Umsatzsteuersatz für ihren Hausanschluss berechnet worden sein (16 % bis 2006 bzw. 19 % ab dem 01.01.2007).

Mit Datum vom 08.10.2008 hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass dieser Umsatzsteuersatz zu hoch ist. Anstelle des vollen Umsatzsteuersatzes dürfe nur der ermäßigte Satz in Höhe von 7 % angesetzt werden. Die Konsequenz dieser Entscheidung: Bauhern, die ab dem Jahr 2000 ihre Hausanschlüsse abgerechnet haben, müssen davon ausgehen, zu viel an Umsatzsteuer gezahlt zu haben.


Hintergrund: Umsatzsteuerpflicht für Wasser

Leitungswasser ist ein Gut, das laut Umsatzsteuergesetz nicht mit dem vollen Mehrwertsteuersatz (derzeit 19 %), sondern mit dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz in Höhe von 7 % zu besteuern ist. Bis zum Jahr 2000 war es gängige Praxis, auch die Verlegung eines Hausanschlusses mit 7 % Mehrwertsteuer zu belegen. Schließlich, so die zugrundeliegende Auffassung, ist das Vorhandensein eines Wasseranschlusses eine notwendige Voraussetzung, um Leitungswasser beziehen zu können. Das Legen und Unterhalten von Wasserleitungen einschließlich der Hausanschlüsse wäre demnach eine "unselbständige Nebenleistung zur Lieferung von Wasser".

Doch im Jahr 2000 änderte sich die Auffassung des Bundesfinanzministeriums. Der Hausanschluss, so die neue Sichtweise, sei nicht mehr im Zusammenhang mit der Wasserlieferung zu sehen, sondern stelle eine eigenständige Leistung ("Verschaffung der Möglichkeit des Anschlusses an das Versorgungsnetz") dar. Diese eigenständige Leistung falle nun nicht mehr unter den Katalog von Leistungen, für den das Umsatzsteuergesetz eine ermäßigte Besteuerung vorsieht. Folglich sei sie nun mit dem vollen Steuersatz (bis 2006: 16 %; ab 2007: 19 %) zu belegen. Mit Schreiben vom 04.07.2000 wies das Bundesministerium der Finanzen die Finanzämter an, künftig entsprechend zu verfahren. Seitdem berechnen auch die Wasserversorger - in Coesfeld sind es die Stadtwerke - ihren Kunden den höheren Steuersatz.

Doch nun hat der Bundesfinanzhof anders entschieden. Der Hausanschluss ist demnach eine "unselbständige Nebenleistung zur Lieferung von Wasser" und müsse folglich wie das gelieferte Wasser mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz (7 %) belegt werden. Die Differenz von 7 % zu 16 % bzw. 19 %, so der daraus zu ziehende Schluss, wurde den Häuslebauern folglich zu viel berechnet und müsste zurückerstattet werden.


Hintergrund: Die Klage vor dem Bundesfinanzhof

Ein Wasserversorgungsverband aus dem weit entfernten Sachsen brachte den Stein ins Rollen. Ihm war als Ergebnis einer Außenprüfung durch das zuständige Finanzamt untersagt worden, für das Legen von Hausanschlüssen gesonderte Entgelte zu berechnen und diese mit 7 % Umsatzsteuer zu belegen. In seinem Prüfbericht vom 28.11.2000 führte der Prüfer zudem aus, dass der ermäßigte Umsatzsteuersatz nur dann angewendet werden dürfte, wenn der spätere Bezieher des Wassers mit dem Erbauer des Hauses (und damit mit dem Auftraggeber des Hausanschlusses) identisch ist. In der Praxis hieße das: Wird das Haus über ein Bauunternehmen oder einen Bauträger erstellt, müsste der volle Umsatzsteuersatz erhoben werden.

Ein Einspruch gegen diesen Prüfbericht blieb ohne Erfolg, ebenso wie eine Klage vor dem Sächsischen Finanzgericht. Erst die Revision vor dem Bundesfinanzhof führte nun zu einem ersten Erfolg.


Das vorliegende Urteil

Am 08.10.2008 entschied der Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen V R 27/06, dass das Legen eines Hausanschlusses unter den Begriff "Lieferung von Wasser" fällt und ist mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % zu belegen ist. Allerdings heißt es einschränkend: Der ermäßigte Steuersatz sei nur anzuwenden, "wenn die Anschlussleistung an den späteren Wasserbezieher erbracht wird."

Im Rahmen seiner Urteilsfindung hatte der Bundesfinanzhof auch den Europäischen Gerichtshof eingeschaltet. Dort hatte er angefragt, ob die Verbindung des Hauses mit der öffentlichen Wasserversorgung unter den Begriff "Lieferung von Wasser" im Sinne der einschlägigen EU-Richtlinien fällt. Der Europäische Gerichtshof bejahte das mit Urteil vom 03.04.2008. Demnach ist der Hausanschluss keine eigenständige Leistung (so wie es das Bundesfinanzministerium sieht), sondern ist ein Bestandteil der Wasserlieferung.

Der Bundesfinanzhof beleuchtete auch die Frage, inwieweit das EU-Recht es grundsätzlich erlauben würde, Hausanschlüsse aus der ermäßigten Besteuerung herauszunehmen. Grundsätzliche stünde dem nicht im Wege - so die Interpretation des Bundesfinanzhofes. Doch müssten dazu gesetzliche Regelungen (etwa eine Änderung des Umsatzsteuergesetzes) ergriffen werden. Eine reine Verwaltungsvorschrift, wie sie das Schreiben des Bundesfinanzministeriums an die Finanzämter vom 04.07.2000 darstellt, reicht nicht aus. Insofern kann also durchaus damit gerechnet werden, dass die Bundesregierung eine entsprechende Gesetzesinitiative auf den Weg bringt, um zukünftig für Hausanschlüsse 19 % Umsatzsteuer zu verlangen.

Bleibt noch die Frage, inwieweit dieses Urteil gilt, wenn ein Bauunternehmer oder ein Bauträger die Häuser erstellt und die Hausanschlüsse in Auftrag gegeben hat. Schließlich, so besagt das Urteil, gilt es nur für die Fälle, in denen "die Anschlussleistung an den späteren Wasserbezieher" erbracht wurde. Die Entscheidung in diesem Aspekt steht noch aus und wird in einem weiteren Verfahren entschieden. Die Eindeutigkeit, mit der das vorliegende Urteil die Erstellung des Hausanschlusses dem Begriff "Lieferung von Wasser" untergeordnet hat, lässt jedoch erwarten, dass auch gegenüber Bauunternehmern, Bauträgern u.ä. der ermäßigte Umsatzsteuersatz gelten wird.


Was tun?
 
In einem Gespräch mit den Stadtwerken hat sich Dietmar Senger, FDP-Vertreter im Ausschuss für Umwelt, Planen und Bauen, vergangenen Freitag dafür eingesetzt, die zuviel gezahlten Beträge schnellstmöglichst zu erstatten. Seitens der Stadtwerke besteht dazu prinzipiell die Bereitschaft. "Allerdings ist das sehr viel Arbeit", erfuhr er, und: "Es wird noch etwas dauern."

Zudem müssen zuvor noch einige Unwägbarkeiten für die Stadtwerke geklärt werden. Trotz Gerichtsurteil hat das Bundesfinanzministerium seine Anweisung, die Anschlüsse mit vollem Mehrwertsteuersatz zu besteuern, noch nicht zurückgenommen. Damit sind den Finanzämtern noch die Hände gebunden, um ihrerseits die zu hohen Steuerbeträge an die Wasserversorger zurückzuerstatten. Hier ist nun der Bundesfinanzminister gefordert, indem er schnellstens das Gerichtsurteil in die Praxis umsetzt.

Außerdem ist zu beachten, dass die Stadtwerke nur an diejenigen Geldbeträge erstatten können, mit denen sie den Hausanschluss abgerechnet haben. Wer also sein Haus über ein Bauunternehmen oder einen Bauträger gekauft hat, muss dort seinen Erstattungsanspruch anmelden. Sofern der Hausanschluss einen Bestandteil des gesamten Kaufpreises dargestellt, müsste er herausgerechnet und der Mehrwertsteueranteil entsprechend berichtigt werden.


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